Das Spiel spielt Dich

Heiko H. Gogolin, 18.10.01

Einer der wenigen Bereiche, in dem man im Internet trotz der New-Economy-Krise jetzt schon und in Zukunft noch viel mehr Geld scheffeln kann, ist das Segment der Onlinespiele. Da gab es bisher verschiedene Grundtypen, vom kleinen Flash-Mini-Spielchen, oft auch als Marketing-Tool eingesetzt, das man weitgehend alleine spielt, über Multiplayer-Netz-Versionen 'klassischer' Spiele wie Autorennen, in denen man gegen andere Menschen antritt statt nur gegen den Computer, bis hin zu Online- Rollenspielen in der Nachfolge von MUDs und MOOs mit zehn- bis hunderttausenden Teilnehmern.

Die Spielehersteller verdienen vor allem mit Variationen des letztgenannten. Meist kosten solche Games eine monatliche Abogebühr, die per Kreditkarte abgebucht wird. Von Anbieterseite geht man so dem ewigen Problem der Raubkopien aus dem Weg. Denn auch wenn man sich die Client-Software, die manchmal etwas kostet, als Crack besorgen kann, kommt man um die Spielgebühren nicht so schnell herum.

Electronic Arts, der durch emsige Zukäufe größte Spielehersteller der Welt, präsentiert seit August 2001 in Amerika und Kanada mit Majestic einen neuen Level des Online-Adventures. Auch hier zahlt man Abogebühren, und zwar rund zehn Dollar im Monat; die erste Episode ist als Teaser frei.

Das Spiel ist auf fünf Kapitel ausgelegt. Es ist ein klassisches Adventure mit einem recht linearen Handlungsablauf und einem determinierten Ende.

Von der Story her serviert E.A. eine typische Mystery Story, von denen ich dachte, daß sie im Moment gerade relativ out seien. Aber Verschwörungsgeschichten um Außerirdische, in denen irgendwie die Regierung verstrickt ist, laufen wohl immer und sind für diese Form von Spiel anscheinend auch sehr geeignet.

Majestic Twelve ist angeblich eine 1947 vom damaligen US-Präsidenten Truman gegründete Sondereinheit, die sich mit den verschiedensten UFO-Sichtungen in der Zeit nach dem bekanntesten UFO-Zwischenfall ever im Orte Roswell auseinandersetzen sollte.

Der Clou von Majestic liegt in dem Eingreifen des Spiels in den Alltag des Spielers z.B. in Form von Telephonanrufen, Faxen oder E-Mails. Nach dem Runterladen der 1MB-Client-Software stellt man erst einmal fest, daß ein Einloggen auf die Seiten von Majestic gerade nicht möglich ist. Alle Server seien unten, jemand von Electronic Arts melde sich demnächst.

Dies ist jedoch kein technischer Faux-Pas, sondern schon der Beginn des Games. Erste Aufgabe ist es, die Majestic-Homepage zu finden, die eigentliche Basis aller Operationen. Dort sammelt man detektivisch Hinweise, kann mit anderen per Messenger in Kontakt treten und hat eine eigene Majestic-Suchmaschine zur Verfügung.

Letztere dient zur Recherche, eines der Hauptelemente des Spiels. Das Adventure schickt einen von der Suchmaschine aus auf verschiedenste Seiten, um Informationen zu finden. Es gibt Fake-Homepages oder auch gefakten Content auf populären bekannten Seiten. So entdeckt man zufällig auf seiner Lieblingsnewsseite irgend etwas über eine angebliche UFO-Landung usw.

E.A. kooperiert nach Eigenaussagen mit mehreren hundert anderen Anbietern. Vieles davon ist für die Progression im eigentlichen Spiel nicht notwendig, sondern dient lediglich dazu, die Atmosphäre zu intensivieren und die Grenzen zwischen 'Realität' und Fiktion zusätzlich zu verwischen.

Das Tempo der Handlung zieht im Laufe des Spiels an, und man bekommt Anrufe, Faxe und E-Mails nach Hause oder an den Arbeitsplatz.

Geheime Informanten melden sich, fremde Leute bitten um Hilfe, bis hin zu Drohanrufen zu später Stunde. Man kann wählen, ob man zu Beginn jeder Nachricht noch eine Erkennungsmessage haben möchte, die einem erklärt, daß die folgende Nachricht zu Majestic gehört. Schaltet man diese aus, sollte man sich über die Folgen im Klaren sein, wenn die eigene Tochter einen Drohanruf bekommt oder das Arbeitsfaxgerät mit seltsamen Regierungsmitteilungen überflutet wird, während man gerade in der Mittagspause ist. Wobei es sich bei den Telephonaten vermutlich immer um im Voraus produzierte Anrufe handelt.

Spielerberichten zufolge weniger ausgereift sollen die Kontaktaufnahmen von computergesteuerten Charakteren per Messenger sein. Hierzu benutzt man den AOL-Instant-Messenger. Er ist Pflichtbestandteil beim Spielen und wird, sofern nicht vorhanden, gleich mit installiert. Neben anderen Spielern kontaktieren einen über diesen auch Bots, die vorgeben, reale Personen zu sein. Im Dialog kann man sie aber wohl sehr leicht daran identifizieren, daß sie in einem Gespräch, egal was für einen Mist man ihnen erzählt, stur ihre programmierten Pflichtsätze runterlabern.

Damit man nichts verpaßt, kann man das Spiel jederzeit anhalten. Alle Anrufe, Filme oder sonstigen Hinweise werden in der eigenen Majestic-Datenbank gesammelt. Kommt man zu langsam voran, bekommt man anonyme Hinweise von "einem Freund".

Der Tenor der Electronic Arts-Werbekampagne in Nord-Amerika ist, daß nicht der Spieler das Spiel spielt, sondern das Spiel mit dem Spieler. Dies ist natürlich nicht nur bei Majestic so. Bei vielen Games, vor allem bei äußerst zeitkritischen Actionspielen, spielt die Maschine auch den Menschen und nicht nur umgekehrt. Man wird in einem gewissen Maße immer auf den Beat des Spiels konditioniert. Nur den Eingriff eines Computerspiels in das 'wahre Leben' dürfte noch nie so groß wie bei Majestic gewesen sein. E.A. sichert sich in den Nutzungserklärungen mehrfach schon im Voraus gegen eventuelle Betrüger ab, denn gerade bei äußerst mysteriösen E-Mails usw. besteht natürlich die Gefahr, daß man gewisse Daten wie die Kreditkartennummer unüberlegt preisgibt.

Bevor sich jetzt aber jeder sofort anmeldet, muß ich Euch leider mitteilen, daß Majestic nach sehr langer Beta-Phase nur in den USA und in Kanada zu spielen ist. Eine deutsche oder zumindest europäische Version ist gar noch nicht einmal geplant. Schade.

Electronic Arts: www.ea.com

Majestic: www.majestic.ea.com

'echtes' Majestic: www.majesticdocuments.com und www.mj12.com

Quelle: http://www.glizz.net/artikel/artikel_4.php